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Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma – Reisebericht

Vom 31. Juli bis zum 3. August 2022 begleitete AMCHA Deutschland e.V. eine Delegation des Vereins Menda Yek e.V. die Gedenkstätte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz anlässlich des Gedenkens an die Liquidierung des sogenannten “Z*-Lagers” am 2. August 1944. In der Nacht vom 2. auf den 3. August wurden 4300 Sinti*zze und Rom*nija von der SS in Auschwitz ermordet. 2015 erklärte das Europäische Parlament den Tag zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti*zze und Rom*nija, nachdem diese jahrzehntelang für die Anerkennung ihrer Geschichte gekämpft haben.

Unsere Delegation verbrachte in Polen zwei sehr intensive Tage voller berührender und erkenntnisreicher Momente. Ela Pasternak von der Gedenkstätte Auschwitz führte uns durch das ehemalige Stammlager sowie durch die Überreste von Birkenau. Für die meisten Teilnehmer*innen der Reise, überwiegend Sinti*zze, war das auch eine Reise zu dem Ort, an dem ihre Verwandten ermordet wurden. Für sie war es eine schmerzhafte, aber auch wichtige Suche nach der eigenen Geschichte. Die Orte der Ermordung sind gleichzeitig die Grabstätten ihrer Verwandten, denen in der Trauer- und Gedenktradition kulturell eine große Bedeutung zukommt. Gestärkt in dem Wissen um die familienbiographischen Verbindungen wollen sie intensiver den generationenübergreifenden Folgen einer allgegenwärtigen Vergangenheit begegnen und Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung entgegenstellen.
Die Reise bot auch viel Raum für Diskussion und Reflexion des Umgangs mit der Geschichte nach ‘45. Neben den unaufgearbeiteten familiären Traumata prägt die Community heute auch der bisherige Ausschluss aus der historischen Forschung und erinnerungskulturellen Praxen der letzten Jahre. Für viele war es eine schockierende Erfahrung, Fotos ihrer ermordeten Verwandten in Gedenkstätten und Ausstellungen zu finden, ohne, dass sie vorher darüber informiert wurden. “Wir sind froh darüber, dass sich das langsam ändert und wir stärker mit einbezogen werden – Nach dem Motto: Mit uns, nicht über uns”, sagt Margitta Steinbach, Gründerin des Vereins Menda Yek e.V., einem Verein, der sich mit psychosozialen Folgen des Holocaust für Sinti*zze beschäftigt. Gleichzeitig sieht sie aber noch viele Defizite, gerade vor dem Hintergrund eines erstarkenden Rassismus.

Wir sind sehr dankbar, in diesen Tagen viel über ein in der Holocaust-Erinnerung sehr unterrepräsentiertes Thema gelernt zu haben. Dazu trugen auch die Gedenkreden von Romani Rose, Roman Kwiatowski und Mehmet Daimagüler bei, die nicht nur das Erinnern der Vergangenheit betonten, sondern auch auf gegenwärtige Missstände, wie anhaltende Diskriminierung und die prekäre Situation der aus der Ukraine fliehenden Rom*nija hinwiesen. Wir danken Jana Müller (Stadtarchiv Dessau-Roßlau/Alternatives Jugendzentrum e.V. Dessau) für die Unterstützung und die Organisation.

Fotos: Alisa Gadas

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