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Symposium zu transgenerationalen Folgen kollektiver Gewalt: Einen Raum für Austausch über Kontexte und Disziplinen hinweg 

Wir blicken zurück auf das Symposium Transgenerationale am 3. November 2022 zu Prägungen und Erinnerungen nach kollektiven Gewalterfahrungen. Während wir noch erfüllt sind von Eindrücken, Erkenntnissen und wichtigen Anstößen, danken wir allen Kooperationspartnern vom Jüdischen Museum und OFEK e.V. sowie dem Auswärtigen Amt für die Projektförderung, die es uns ermöglichte, mit diesem ersten und wahrhaft transdisziplinären Symposiums einen Raum zu schaffen für den Austausch über die transgenerationalen Folgen kollektiver Gewalt über Generationen hinweg. 

Zudem danken wir den Redner*innen und Moderator*innen, den 80 Teilnehmenden vor Ort sowie weiteren inzwischen mehr als 400 Zuschauenden, die den Livestream verfolgt haben. Die intensiven Diskussionen und die Fragen und Anregungen zeigen das Interesse aller Beteiligten, die Vernetzung und den Austausch in diesem Themenfeld voranzutreiben und betonen die Relevanz der Anerkennung und Sichtbarmachung transgenerationaler Themen. 

Das Symposium beleuchtete mit Expert*innen aus Forschung und Praxis die langfristigen Folgen von Verfolgung, Krieg und Genozid. Zudem sollte es den Wissens- und Erfahrungsschatz der jahrzehntelangen Arbeit von AMCHA öffnen und in den Dialog mit anderen Kontexten stellen. Ausgehend von den Bemühungen um die Anerkennung der generationenübergreifenden Folgen der Shoah und den wissenschaftlichen sowie praktischen Erkenntnissen im Feld zeigte das Symposium eindringlich: Der Austausch über dem Umgang dieser Gewalt kann zu einem vertieften Verständnis und zu einer konkreten Unterstützung für Menschen und ganzen Gemeinschaften führen. 

Zum Bedarf auf politischer Ebene führte Staatsminister Lindner bei seinem Grußwort aus: “Ich wünsche Ihnen nicht nur lebhafte Diskussionen – sondern auch Ergebnisse, die uns als politisch Verantwortlichen dann wiederum helfen, mit den Folgen und der Verantwortung, die aus transgenerationaler Gewalterfahrung erwächst, umzugehen.”

In richtungsweisenden Diskussionen wurden in drei Panels sowie in vier Workshopsessions Expert*innen mit unterschiedlichen Perspektiven und aus verschiedenen Kontexten miteinander in Austausch gebracht. 

In einem einführenden Panel setzten sich Marina Chernivsky, Dr. Natan Sznaider und Dr. Martin Auerbach kritisch mit dem Traumabegriff aus Perspektive ihrer jeweiligen Fachdisziplinen auseinander und legten unter gezielter Moderation von Sabena Donath damit die begriffliche Spannweite des Traumadiskurses fest. Dabei beleuchteten sie die Notwendigkeit, sich vertieft kontextübergreifend mit Transgenerationalität zu befassen, machten jedoch auch deutlich, dass Erkenntnisse und begriffliche Bedeutungszuchreibungen nur differenziert betrachtet Sinn behalten. Der Dekontextualisierung des Traumabegriffs muss entgegengewirkt werden, um nicht in der ‘Soße des Allgemeinen’ abzudriften, wie Natan Sznaider es metaphorisch auf den Punkt brachte. 

Ein zweites Panel brachte Perspektiven aus der Ukraine, vertreten durch Dina Gud, aus Ruanda, durch Dr. h.c. Esther Mujawayo, aus Israel, durch Dalia Sivan, sowie aus Bosnien und Herzegowina, durch Ajna Jusić, auf eine gemeinsame Bühne. Im Fokus standen Fragen der psychosozialen Unterstützung von Nachfahren. Erfahrungen aus der eigenen praktischen Arbeit sowie autobiographische Verbundenheit zum Thema führte zu einem tiefen – und teils sehr berührenden – Austausch zwischen den Panelist*innen, der von der Moderatorin Lucía Muriel sensibel gelenkt wurde. 

Das dritte Panel fokussierte die Wirkungen von kollektiven Gewalterfahrungen auf Gesellschaften. Tahera Ameer von der Amadeu Antonio Stiftung, Beatrix Austin von der Berghof Foundation, Ass. Prof. Dr. Karin Mlodoch von Haukari e.V. und der SFU Berlin sowie Dr. Kristin Platt von der Ruhr Universität Bochum veranschaulichten an konkreten Beispielen, dass gesellschaftliche Ansatzpunkte nach kollektiver Gewalt immer auch mit Fragen nach Verantwortung und der eigenen Verortung einhergehen. Die fundierte Moderation von Benjamin Fischer schaffte es, die große Spannweite der Annahmen und Konzepte in einen bereichernden Dialog einzufangen.  

Möglichkeiten für vertieften Austausch boten vier parallele Workshopsessions am Nachmittag. Wolfgang Kaleck vom ECCHR leitete einen Workshop zur Rolle von juristischen und nicht-juristischen Verfahren in der Aufarbeitung generationenübergreifender Folgen von Gewalt, Andrea Straßburg bot eine Annäherung zum Nexus Transgenerationales Trauma und Resilienz, Esther Dischereit moderierte ein Künstler*innengespräch mit Adrian Gaspar, Ronya Othmannn und Doron Rabinovici zur Aufarbeitung und Verarbeitung eigener und kollektiver Traumata in Kunst und Kultur, und Thorsten Fehlberg von der Gedenkstätte Neuengamme moderierte eine Fishbowl-Diskussion zu Nachkommen von NS-Verfolgten als politische Bildner*innen mit Diana Bastian, Laura Cazés, Stella Leder und Kamil Majchrzak

Ein Abendprogramm mit einer immersiven WordMusic-Performance von Esther Dischereit und Ray Kaczynski rundete den Abend ab. 

Wir sehen das Symposium als einen weiteren Meilenstein hin zu einer vertieften Vernetzung und Austausch zu dem Thema. Wir planen, die inhaltlichen Impulse auch im nächsten Jahr im Rahmen des Projekts “Hakara” weiterzuverfolgen und im Jahr 2024 ein zweites Symposium zu organisieren. Wir freuen uns über weitere Anregungen auf diesem Weg.

Zeitnah wird es noch einen aufbereiteten Videomitschnitt der einzelnen Panels geben, die wir auf dem Youtube Kanal von Amcha Deutschland zugänglich machen werden. 

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