Umgang mit Folgen kollektiver Gewalt in der Ukraine
Anlässlich des Tages zur Unterstützung der Folteropfer fand am 26. Juni 2019 unser PresentPast Panel “Zwischen den Generationen” in den Räumen der Bundesstiftung Aufarbeitung statt.
Als eine vielfältige und geschichtsträchtige Gesellschaft ist die Ukraine in mehrfacher Hinsicht von der Vergangenheit berührt worden. Dazu gehören Folgen der deutschen Besetzung, der Shoah sowie die langanhaltenden Auswirkungen des sowjetischen Regimes. Auch Kämpfe um nationale Unabhängigkeit sowie politische und soziale Transformationen führten zu Brüchen, die sich zwischen den Generationen eingegraben haben.
Lukas Welz, Vorsitzender von AMCHA Deutschland, führte in den Abend ein:
“Ich erinnere mich an das Bild der verschwundenen Dörfer, die von Stauseen im Osten der Ukraine zu sowjetischen Zeiten geflutet wurden. Svitlana Osipchuk – eine der Teilnehmenden unseres Trainings im Rahmen von PresentPast Ukraine – hat darüber berichtet, wie sie in den Ferien dann beim Baden die im wahrsten Sinne des Wortes untergegangene Vergangenheit unter sich wusste.
Das Projekt “Erinnerung bewahren” hat zum Ziel, die unzähligen Massengräber des Holocaust in der Ukraine baulich und durch Bildungsmaßnahmen zu schützen.
Bei den Eröffnungszeremonien in den kleinen Dörfern abseits der großen Städte in Galizien war zu spüren, was dadurch alles in bei den Menschen und in der Gesellschaft in Bewegung geriet.
Die Vergangenheit kann nicht einfach begraben oder geflutet werden. Zumal dann nicht, wenn Erinnerungen in den Menschen fortleben und gesellschaftliche wie politische Prozesse prägen – und das oft über Generationen und Kontexte hinweg.
Damit ist die Wirkung von Vergangenheit in der Gegenwart nicht nur eine historische oder politische Frage, sondern prägt auch psychische Gesundheit.”
Nach Grußworten von Katharina Hochmuth für die Bundesstiftung Aufarbeitung und Elke Braun für die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) führte Marina Chernivsky, Psychologin und Programmleiterin PresentPast in das Thema ein.
Das Panel, moderiert von Miriam Kosmehl, Bertelsmann Stiftung, zeigte die vielen Facetten des Umgangs mit Folgen von Gewalterfahrungen in der Ukraine über die Generationen hinweg auf:
Dina Gud, Sozialarbeiterin, unterstützt durch den Danish Refugee Council Ukraine zivilgesellschaftliche Initiativen in der aktuellen Konfliktsituation,
Miri Lerner ist Psychologin und Psychotherapeutin bei AMCHA Israel und arbeitet dort zu transgenerationalen Folgen der Shoah mit Überlebenden und ihren Nachkommen,
Uwe Neumärker ist Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und mit dem Projekt “Erinnerung bewahren” direkt in der Ukraine aktiv,
Svitlana Osipchuk arbeitet als Historikerin und Lehrbeauftragt am Igor Sikorsky Polytechnisches Institut Kyiv über die Folgen stalinistischer Repressionen und aktuelle Konfliktlinien.
Über die Generationen hinweg verschränken sich historische Ereignisse mit familienbiografischen Erfahrungen und formen den Umgang mit gegenwärtigen Konflikten. Die traumatische Wirkung aktueller Ereignisse wird dadurch verstärkt. Darüber hinaus spielt die Instrumentalisierung der Vergangenheit in der Ostukraine eine herausgehobene Rolle. Minderheiten wie Roma werden zusätzlich marginalisiert und müssen Diskriminierung und Gewalt erfahren. Die gegenwärtigen Transformationsprozesse lassen die zentrale Frage der Anerkennung von Leid sehr schwierig erscheinen.
Wir danken der Förderung durch Bundesministerium für Gesundheit und Stiftung EVZ sowie der Kooperation mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.