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ÜberLebensgeschichten: “Wir hatten die Erinnerung an die Sonne hinter den Wolken” – Yehuda Bacon, geboren 1929

Vor 75 Jahren wurde das Konzentrationslager Mauthausen befreit. Hier ist Yehuda Bacons ÜberLebensgeschichte, geboren 1929.

Yehuda Bacon, geboren am 28. Juli 1929 in Ostrava in der damaligen Tschechoslowakei, wuchs in einer traditionellen jüdischen Familie auf.

Im Herbst 1942 wurde er als 13-Jähriger mit seinen Eltern und einer Schwester nach Theresienstadt deportiert. Hier wirkte er unter anderem an der Kinderoper „Brundibár“ mit, die dort von Kindern und Jugendlichen aufgeführt wurde. Im Dezember

1943 kam er ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, wo er im sogenannten „Familienlager“ untergebracht wurde, das zum Schein für Inspektionen des Internationalen Roten Kreuzes eingerichtet worden
war. Zusammen mit anderen Jugendlichen wurde er im sogenannten „Rollwagenkommando“ für Transporte im gesamten Lagerkomplex eingesetzt.

Dabei betrat er auch die Gaskammern und Krematorien. Die Gruppe, die sich „Birkenau Boys“ nannte, sollte auch nach der Befreiung noch in Kontakt bleiben. Im Juni 1944 wurde Yehuda Zeuge, wie sein Vater in die Gaskammer geschickt wurde. Zur gleichen Zeit kamen seine Mutter und seine Schwes ter Hanna ins Konzentrationslager Stutthof, wo sie wenige Wochen, bevor die Rote Armee das Lager befreite, ums Leben kamen.

Die heranrückende Front führte Anfang 1945 zur Räumung von Auschwitz. Am 18. Januar 1945 wurde Yehuda auf den Todesmarsch ins Konzentrationslager Mauthausen geschickt. Dort herrschten chaotische Zustände; so wurde Yehuda unter anderem Zeuge von Kannibalismus unter den Häftlingen. Im März 1945 kam er ins Konzentrationslager Gunskirchen, einem Außenlager von Mauthausen, wo es am Ende weder Essen noch Wasser oder Kleidung gab.

Am 5. Mai 1945 wurde er dort befreit – als 16-Jähriger. US-amerikanische Soldaten brachten ihn in ein Krankenhaus nach Steyr. Nach seiner Genesung fuhr er nach Prag in der Hoffnung, seine Mutter und Schwestern wiederzufinden. Er kam im Kinderheim Štiřín unter, das vom tschechischen Pädagogen und Humanisten Přemysl Pitter in der Nähe von Prag geführt wurde. Schon während des Krieges hatte Pitter in seinen Heimen neben deutschen Waisen auch jüdische Kinder aufgenommen und versteckt.

In Štiřín lernte Yehuda den Historiker und Schriftsteller H. G. Adler kennen, der ihn an die Prager Kunstakademie vermittelte, wo er bei Prof. Willi Nowak, einem Freund von Franz Kafka und Max Brod, ein Privatstudium aufnahm. Über die Jugend-Alijah konnte er 1946 von Prag nach Palästina auswandern, wo er an der Jerusalemer Bezalel- Kunst akademie das Studium fortsetzte. Über seinen Mentor, den Philosophen Hugo Bergmann, kam er in engen Kontakt zu den Jerusalemer Intellektuellen um Martin Buber und Gershom Scholem.

Es folgten Studienaufenthalte an der Central School of Art and Design in London, an der Ecole des Beaux-Arts in Paris und am Pratts Graphic Center in New York. 1959 wurde Yehuda zum Professor für Radierung und Lithografie an der Bezalel Akademie in Jerusalem ernannt, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994 lehrte.

Seine Aussagen und frühen Zeichnungen, darunter Skizzen der Gaskammern, waren wesentliche Beweismittel in mehreren Nachkriegsverfahren. Sowohl beim Jerusalemer Eichmann-Prozess 1961 als auch bei den Frankfurter Auschwitz-Prozessen 1963 gehörte Yehuda zu den wichtigsten Zeugen der Anklage. Heute lebt er als freischaffender Künstler in Jerusalem. Mit seinen
Werken ist er u.a. in Museen von Jerusalem, London, Prag und Würzburg vertreten.

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