78 Jahre nach der Befreiung der Überlebenden des Holocaust ist der Bedarf an Unterstützung für viele schwer traumatisierte Menschen weiter hoch, wie Zahlen der Hilfsorganisation AMCHA, dem nationalen Zentrum für psychosoziale Hilfe für Überlebende des Holocaust in Israel, zeigen.
So ist zwar die Zahl der Überlebenden, die psychotherapeutische Hilfe bei AMCHA in Israel erhalten, im Zehnjahresvergleich um 42 Prozent gesunken (2012: 10.357, 2022: 6.002 Überlebende des Holocaust in therapeutischer Begleitung), da die Gruppe altersbedingt immer kleiner wird. Gleichzeitig aber stieg der Unterstützungsbedarf deutlich an, von 97.600 Therapiestunden für Überlebende des Holocaust pro Jahr (2012) auf 149.000 Therapiestunden pro Jahr (2022).
„An diesen Tagen des Gedenkens an die Ermordeten dürfen wir die Überlebenden nicht vergessen. Die traumatisierende Vergangenheit ist weiterhin ein schwer belastender Teil ihrer Gegenwart. Mit zunehmendem Alter wird das soziale Netz schwächer und die erlittene schwere Gewalt und Folter führen zu Depressionen und Angstzuständen und dominieren den Alltag vieler Überlebender,“ mahnt Lukas Welz, Vorsitzender von AMCHA Deutschland.
Das Durchschnittsalter der Klient*innen liegt bei ca. 90 Jahren. Der Anteil der Therapien, die bei den betagten Überlebenden zu Hause, in Altenheimen oder Hospizen geleistet werden, ist im Zehnjahresvergleich zu 2012 um 68 Prozent auf 55.877 Stunden gestiegen.
Für AMCHA stellt dies eine Herausforderung dar, da häusliche Therapiestunden einen deutlich höheren Aufwand bedeuten, der nicht vollständig durch Entschädigungsleistungen finanziert werden kann.
Auch der Bedarf an Unterstützung für Kinder von Überlebenden des Holocaust, heute selbst oft im Rentenalter, steigt: 752 Menschen haben 2022 Hilfe bei AMCHA erhalten. Nachkommen von Überlebenden tragen die Last des Holocaust in sich und können daraus selbst psychosoziale Bedarfe im Prozess der transgenerationalen Weitergabe entwickeln.
Die Bundesregierung fördert die psychosoziale Betreuung von Nachkommen durch AMCHA seit 2021. „Wir sind der Bundesregierung für die Übernahme der Verantwortung, die außerhalb der Entschädigungsleistungen liegt, besonders dankbar. Die Folgen des Holocaust wirken über Generationen hinweg. Die Unterstützung der Nachkommen ist eine moralische Verpflichtung und stärkt die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Israel,“ erläutert Welz.
Für den Vorabend ruft AMCHA Deutschland gemeinsam mit zahlreichen anderen Vereinen zum Gedenken am Denkmal für die ermordeten Juden Europas auf.
26. Januar 2023, 16:30 Uhr
Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Cora-Berliner-Straße Ecke Behrenstraße.
„78 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz erleben wir, wie antisemitische Vorfälle zunehmen, allein um 40 Prozent im letzten Jahr. Wenn Deutschland sein Versprechen von „Nie wieder“ ernst nehmen möchte, muss mehr geschehen. Unser Zusammenkommen am 26. ist daher Gedenken an die Vergangenheit und Mahnung an die Zukunft zugleich,“ so Holger Michel, Vorstand von AMCHA Deutschland.