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Zum 9. November: Den Zeugen der Gewalt helfen

Ein Beitrag von Dr. Sabine Sundermann über die Bedeutung des 9. November in unserer Arbeit mit Zeitzeug:innen der Novemberpogrome

Die Novemberpogrome 1938 markieren einen ersten Höhepunkt ungezügelter, staatlich autorisierter Gewalt gegen Juden und deren Eigentum während des Nationalsozialismus – sie waren das Vorspiel für das Inferno in den Todeslagern, für den millionenfachen Mord an unschuldigen Menschen.
Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.
Kein nach 1945 in Deutschland begangenes rechtsradikales Verbrechen ist vom Ausmaß an Gewalt, Zerstörung und von seiner geographischen Ausbreitung her vergleichbar mit den gegen die jüdische Bevölkerung gerichteten Pogromen im November 1938. Doch jede gewaltsame Ausschreitung gegen Minderheiten, wo immer und in welchem Umfang sie sich ereignet, muss als möglicher Vorbote eines noch radikaleren Übergriffs verstanden und als Weckruf ernstgenommen werden. “Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.” Primo Levis berühmtes Zitat fasst die zentrale Lehre des Holocaust und damit auch die der Novemberpogrome in schlichte, eindringliche Worte.

Ein Pogrom, ob staatlich organisiert wie im November 1938 oder spontan entstanden, wie unzählige Male im Laufe der leidvollen jüdischen Geschichte hat immer eine verheerende Begleiterscheinung:  Viele Zuschauer und Gaffer werden spontan radikalisiert und zu MittäterInnen, das Pogrom wird zum Ventil für aufgestauten Hass. Das Ausmaß der Folgen  für die betroffenen Opfer ist in hohem Maße davon abhängig, wie die Mehrheitsgesellschaft reagiert, wie sich Nachbarn und Unbeteiligte verhalten, wie systematisch Polizei und Behörden ermitteln und ob es gelingt, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Im November 1938 war der Staat Komplize der Täter. Die Pogrome waren staatlich gelenkt und befohlen. Das rechtsstaatlich organisierte deutsche Staatswesen war längst zu einem Unrechtsstaat verkommen, zum Erfüllungsgehilfen der Nazi-Schergen. Die jüdische Bevölkerung wurde gezielt in die Rechtlosigkeit gedrängt, schamlos ausgeraubt und war den folgenden Gewaltorgien schutzlos ausgeliefert. Nur wenige Menschen standen den Opfern bei.
AMCHA hilft Zeitzeug:innen der Pogrome
In den von AMCHA unterstützten Einrichtungen in Israel kann man sie noch treffen: Hochbetagte Zeitzeugen, die als Kinder die grausamen Ereignisse in den Tagen und Nächten der Pogrome erlebt haben. Oft sind die Erinnerungen nur bruchstückhaft, aber unvergessen sind die Gefühle von Todesangst, Verzweiflung und hilflosem Ausgeliefertsein. Vor allem aber ist unvergessen, dass die eigentliche Katastrophe erst bevorstand. All das sind weit zurückliegende Empfindungen, die gleichwohl in vielen Fällen auch das spätere Familienleben der überlebenden Frauen und Männer überschattet haben.

AMCHA sieht sich als Sprachrohr, als Begleiter und Ansprechpartner der letzten Zeitzeugen und ihrer Angehörigen. Das erlittene Leid lässt sich nicht ungeschehen machen. Aber gemeinsam mit unseren Mitgliedern und Unterstützern können wir durch sozial-psychologische Begleitung und andere Hilfsleistungen einen Beitrag leisten zu einem würdigen Lebensabend der Holocaust-Überlebenden und einer hoffnungsvollen Zukunft ihrer Nachkommen.

Herzlichen Dank für Ihre Spende!

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